Prof. Dr. med. Joachim Dissemond (Essen)
Facharzt für Dermatologie und Venerologie, Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Prof. Dr. med. Joachim Dissemond, Facharzt für Dermatologie und Venerologie mit der Zusatzbezeichnung Allergologie, ist seit 1999 an der Klinik für Dermatologie der Universitätsklinik Essen tätig, zunächst als Assistenzarzt, seit 2003 als Oberarzt. Auf Dissemonds Initiative hin wurde an der Essener Universitätsklinik eine Wundambulanz eingerichtet, die Klinik für Dermatologie gilt heute als anerkanntes interdisziplinär tätiges Wundzentrum.
Seine Schwerpunkte sind
- Diagnostik und Behandlung des Ulcus cruris („offenes Bein“)
- Chronische Wunden
- Immunologische Wunden
Prof. Joachim Dissemond engagiert sich in mehreren Fachgesellschaften, darunter die Arbeitsgemeinschaft für Wundheilung, die Deutsche Gesellschaft für Wundheilung und der Dreiländer Wund D.A.CH-Verband. Darüber hinaus ist er Mitglied des Editorial Boards verschiedener Fachzeitschriften zur Wundheilung und Verfasser mehrerer Bücher, wie etwa „Ulcus cruris - Genese, Diagnostik und Therapie“.
Da chronische Wunden, insbesondere auch das Ulcus cruris, sehr vielfältige Ursachen haben können, ist Dissemond Verfechter einer gründlichen Diagnostik und ganzheitlichen Betrachtung des Patienten.
„Wir behandeln Patienten, keine Befunde“ (Joachim Dissemond)
Vita
Studium und Praktisches Jahr
1989 - 1997 Medizinische Fakultät der Universität zu Köln
Arzt im Praktikum
01/1998 - 06/1999 Dermatologie der Universitätsklinik zu Köln
Assistenzarzt
07/1999 - 12/2002 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Facharzt für Dermatologie und Venerologie
Seit 05/2002 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Promotion
12/2000 Dermatologie der Universitätsklinik zu Köln
Oberarzt
seit 01/2003 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Habilitation
01/2005 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Komm. Vertreter der Professur für Dermatologie und Venerologie
06/2007 - 07/2008 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Außerplanmäßige Professur für Dermatologie und Venerologie
seit 05/2010 Dermatologie der Universitätsklinik Essen
Weiterbildung
1997 - 2000 Zusatzbezeichnung Sportmedizin
2001 - 2003 Zusatzbezeichnung Allergologie
Vorstandsarbeit
04/2007 - 04/2009 Sekretär der Arbeitsgemeinschaft für Wundheilung (AGW) der DDG
04/2009 - 04/2015 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Wundheilung
06/2009 - 10/2010 Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Wundheilung
seit 12/2010 Gründungs- und Vorstandsmitglied des Dreiländer Wund D.A.CH-Verbandes
seit 06/2014 Vorstandsmitglied und Schriftführer der Initiative Chronische Wunde (ICW) e.V.
Publikationen
593 wissenschaftliche Publikationen
5 Bücher
22 Buchbeiträge
> 400 publizierte Abstracts
> 600 Vorträge/Poster
Essen den 24.11.2016
Interview
Ulcus Cruris
„Es hapert oft an der Diagnostik“
Interview mit Prof. Dr. Joachim Dissemond, Oberarzt an der Klinik für Dermatologie, Universitätsklinikum Essen, über das komplexe Krankheitsbild „offenes Bein“ (Ulcus Cruris) und warum Patienten möglichst früh einen Spezialisten konsultieren sollten.
Herr Prof. Dissemond, der Volksmund spricht vom offenen Bein, Sie vom Ulcus cruris. Warum heilen diese Wunden an den Unterschenkeln so schlecht?
Dissemond: Das Hauptproblem ist, dass viele Patienten nicht ursachengerecht therapiert werden. Es werden zwar Symptome behandelt, aber es fehlt oft der kurative Ansatz. So verschleppt sich die Erkrankung über Monate, Jahre und Jahrzehnte.
Woran liegt das?
Dissemond: Das Unterschenkelgeschwür kann ganz unterschiedliche Ursachen haben. Landläufig wird es ausschließlich mit Venenschäden assoziiert und dann auf gut Glück mit einer Kompressionstherapie und etwas Wundbehandlung versorgt. Das mag in vielen Fällen auch richtig sein, ist aber eben nicht immer ausreichend. Hinzukommt: Bei mindestens einem Drittel der Patienten liegt gar kein Venenschaden vor, oder er ist zumindest nicht die alleinige Ursache.
Welche Ursachen kommen denn für das offene Bein in Frage?
Dissemond: Etwa 50 Prozent der Geschwüre sind ausschließlich venös bedingt, das ist die größte Gruppe. Etwa 15 Prozent sind rein arteriell bedingt, bei weiteren 15 Prozent besteht eine kombinierte venöse und arterielle Störung. Und die restlichen 20 Prozent haben ganz andere Ursachen zum Beispiel eine Gefäßentzündung, eine Neoplasie oder eine Autoimmunerkrankung. Diese Ursachen müssen diagnostiziert werden, damit das Ulcus cruris erfolgreich therapiert werden kann. Aber in der täglichen Praxis scheitert es oft schon an der Basisdiagnostik.
Ist also die Diagnostik das Hauptproblem?
Dissemond: Meines Erachtens wird viel zu viel Augenmerk auf die Therapie gerichtet und viel zu wenig auf die Diagnostik. In unserer Wundambulanz sehen wir Patienten, die seit über 30 Jahren wegen einer Wunde in Behandlung sind, aber quasi keine Diagnostik durchgeführt wurde.
Wo hakt es im System?
Dissemond: Zum einen liegt es an den Patienten. Venöse Störungen verursachen oft über viele Jahre hinweg wenig Leidensdruck und die Patienten gehen nicht zum Arzt. Dabei ignorieren sie die ersten Anzeichen, wie beispielsweise die sogenannten Warnvenen im Bereich des Knöchels und später auch die Hautveränderungen in Form von Verfärbungen. Erst wenn das meist schmerzhafte Geschwür auftritt, gehen sie zum Arzt.
Und der Hausarzt greift dann lieber zum Kompressionsbandage als zur Diagnostik?
Dissemond: Ich will das nicht verallgemeinern, aber ich weiß von meinen Patienten, dass es vielfach so ist. Dabei wäre eine gute klinische Untersuchung verbunden mit einer simplen Pulstastung und einer Duplex- oder Doppler-Sonographie meist schon ausreichend, um zu sehen, ob der Patient einen Venenschaden hat, oder ob er weiterführende Diagnostik in Hinblick auf einen Arterienschaden braucht. Leider sehe ich bei den Hausärzten wenig Bereitschaft, die Patienten frühzeitig an Spezialisten zu überweisen.
Sie meinen, der Hausarzt müsste die Patienten schneller weiterschicken?
Dissemond: Wenn die Therapie nach drei Monaten nicht greift, betrachte ich die Wunde als chronisch. Spätestens dann, sollte der Patient einen Wundspezialisten sehen. Besser schon nach acht Woche frustraner Therapie.
Nun sind Sie ein ausgewiesener Wundspezialist. Können Sie denn allen Patienten mit einem Ulcus cruris helfen?
Dissemond: Vielen Patienten können wir helfen. Therapieoptionen sind genug da und werden erfreulicherweise meist auch von den Kassen bezahlt. Aber natürlich sehen wir an unserem Klinikum gerade die besonders schwierigen und seltenen Fälle. Da sind Fälle darunter, die geben auch uns Rätsel auf. Das sind aber die Ausnahmen.
Wundzentren gibt es zwar schon in Deutschland, aber sie sind selten zertifiziert, und Wundfachärzte gibt es gar nicht. Das macht die Sache für den Lotsen Hausarzt nicht gerade einfach …
Dissemond: Wundzentrum ist derzeit noch ein ungeschützter Begriff. Die Deutsche Gesellschaft für Dermatologie wird aber bis Ende des Jahres einen Zertifizierungskatalog erstellen. Dann wird es in Deutschland auch zertifizierte dermatologische Wundzentren geben. Über die Zusatzbezeichnung „Wundarzt“ wird derzeit diskutiert. Die Pflege hat es mit ihren weit verbreiteten „Wundmanagern“ schon vorgemacht. Insofern denke ich, dass es derzeit in vielen Teilen von Deutschland bereits Zentren mit guter Expertise insbesondere für „Therapieversager“ gibt.
Wird sich durch solche Titel und Zertifikate aber tatsächlich die Versorgung für die Patienten verbessern?
Dissemond: Eine Tendenz zur Zentrenbildung beobachten wir derzeit in fast allen Bereichen der Medizin, und das hat einen guten Grund. Für das Diabetische Fußsyndrom gibt es mittlerweile zertifizierte Zentren und immer mehr Hausärzte überweisen dorthin. Ich wünsche mir diesen Trend auch für das Unterschenkelgeschwür, da das chronische Ulcus cruris eine interdisziplinär und interprofessionell anzugehende medizinische Herausforderung darstellt.
Das Gespräch führte Beatrice Hamberger
Veröffentlichungen
in Bearbeitung